Think globally, act locally. Denken schon, aber handeln?

Dieser bei den Manager multinationaler Konzerte zwar theoretisch beliebte Spruch ist etwas, was gerade in der Schweiz bei der aktuellen Atomkraftdiskussion sichtbar wird - und zwar bei jedem einzelnen (ob der einzelne es kann und sich so verhält oder nicht).

Allerdings sind die Politsysteme halt noch wie die Konzerne organisiert. Parteigremien beraten und befolgen die Interessen der lautesten Platzhirsche, und Entscheidungen ergiessen sich aus dem Zentrum runter nach draussen, wo die Basis sie dann hoffentlich erfülle. Ob sie nun förderlich sind oder nicht. Für die Interessen der Promotoren sicher.

Nachdenken über die Energieversorgung gehört mittlerweile genau zu diesem Spruch. Energiegewinnung gehört zu den globalen Herausforderungen, seit wir begonnen haben, die Energie nicht mehr selbst herzustellen - wer feuert noch selbst an? Geht bei Sonnenuntergang ins Bett? Will auf TV, Internet und Heisswasser verzichten? Energieversorung ist also schon lange etwas globaler als mein höchstpersönlicher Aktions- und Einflussradius.

Die bisherigen Energiebeschaffungsmassnahmen klappten in der Bilanz aber nur global und das auch nur scheinbar. Gerade die CO2-Geschichte zeigt, dass die globale Kapazität erschöpft ist und die vorher ausgesondert geglaubten Effekte nun zu uns zurückschwappen.

Die besseren, möglichen Lösungen dafür können also wohl kaum global sein, denn zu verschieden sind die Stände der Wissenschaft, der Entwicklung, der Technik, der Ausbildung auf der Welt. Es darf auch nicht weiter angehen, dass wir CO2-Handel mit den sog. 3. Welt-Ländern eingehen. Das ist eben wieder St. Florian.

In der Schweiz soll ein neues Atomkraftwerk geplant und in 15 Jahren gebaut werden, weil einige Leute heute meinen, es gehe nicht anders, den Stom in 20 Jahren zu beschaffen. Atomtrakftwerke sind eine zentrale Lösung, nichts Lokales.

Wenn ein Bauer mit der bei ihm und im Umfeld anfallenden Biomasse eine Gasturbine betreiben kann, die 5000 Haushalte mit Strom versorgt, dann reicht das nicht für eine Stadt, geschweige denn eine Region, die von einem Atomkraft- oder auch Gaswerk abgedeckt werden kann. Aber sie reicht eben für die 5000. Und ein weiterer Bauer in der Nähe kann weitere 5000 übernehmen. So braucht halt jeder Weiler, jedes Dorf eine eigene dezentrale Stromerzeugung. Dieser Erzeuger ist naturverträglich machbar, ist unter der Kontrolle der lokalen Gemeinschaft und birgt - selbst im Unfallsszenario - eben auch nur lokale Gefahren.

Der Prinzip "aus den Augen aus dem Sinn", das bei zentralen Projekten egal welcher Couleur regelmässig für Zündstoff sorgt, weil die weit davon Entfernten desinteressiert sind, die lokal Betroffenen sich über die Arroganz der andern ärgern, wird ebenfalls hinfällig.

Endlich muss oder besser darf ich mich wieder um mein Umfeld kümmern und kann es nicht im Sinne des Sprichwortes abwälzen. Ich darf auch wieder Einfluss nehmen, denn ich kann auch wieder, weil es eben lokal ist. Gerade in der Schweiz. Ich kann kaum beeinflussen, was in Bern im Parlament entschieden wird, aber ich kann unser Gemeindeparlament beeinflussen, indem ich an der Gemeindeversammlung teilnehme und meine Meinung darlege.

Wenn ich wirklich global denke und lokal handle, dann kann ich keine Technologien mit globalen Auswirkungen befürworten, denn damit laste ich eventuelle Schäden eben dem globalen System an. Das Klima zeigt uns ja endlich sehr deutlich, dass es sich um keine Landesgrenzen schert. Es zeigt, dass die abgestossenen Lateralschäden wieder bei uns laden.

Ist ja nichts Neues, dass die Effekte der Umweltüberflutung mit problematischen Stoffen, die Duftträger, Duschschampoo, Waschmittel via Nahrungskette wieder bei uns auf dem Teller landen und für unfruchtbarere Männer oder medikamentenresistente Menschen sorgen, dürfte wohl jeder auch schon gehört haben. Gerade beim Essen kommt regelmässig der die Ohnmacht jedes einzelnen entlarvende Spruch: "Würde ich auf all das Acht geben, könnte ich ja gar nichts mehr essen". Möglichweise. Aber ich kann mich sehr wohl entschieden, die im Supermarkt jetzt erhältlichen Spargeln aus der USA nicht zu kaufen, obwohl ich die sehr mag. Auch keine Erdbeeren aus Spanien, 'Tomaten' aus Holland oder Ananas aus Afrika. Wir wissen doch auch längst alle, dass diese Monokulturanbauten absoluter Blödsinn sind und regelmässig Schwierigkeiten erzeugen. Über die Massentierhaltung erleben wir es ebenfalls so.

Als global Denkender verlangt es fast zwingend von mir, nur noch Technologien in lokalem Rahmen anzuwenden. Denn die erfüllen die realen lokalen Bedürfnisse mit lokalen Resourcen. Kein Gigantomanismus, keine allgemeingültige Lösung, sondern viele Lösungen für eine grosse Herausforderung.

In den Diskussionen um die Energiegewinnung in der Schweiz sehe ich derzeit leider wenig Realisationswillen des Titels dieses Eintrages. Ich finde das sehr schade. Doch ich hoffe. Denn wenn ich global denken und lokal handeln kann, können es auch andere. Und irgendwann ist es Allgemeingut.

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Reto's Gravatar Sehr schöner Gedankengang!
# Erfasst von Reto | 04.03.07 15:08
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