So propagiert sich sexueller Missbrauch

Am Montag hat eine Frau in einer öffentlichen Talkshow offenbart, dass sie seit einigen wenigen Tagen auf ihren Mann losgehe, weil der die gemeinsame Tochter sexuell missbraucht habe.

Sie erzählte zuerst davon, wie ihre Tochter ihr vor dem anwesenden Vater ungezwungen erzählte, was sie gemacht habe auf Anweisung des Vaters. Die Mutter beschrieb nicht weiter, was da gewesen sie oder was das Kind erzählte, aber es hörte sich so an, dass das Kind das nicht übermässig schockierend fand, denn sonst hätte es wohl kaum vor dem Vater davon erzählt.

Nachdem sie das erzählte - und ich eben den Eindruck bekam, dass es dem Kind wohl nicht gross "geschadet" habe -, dann kam erst der Hammer, sie sei emotional total überwältigt worden, weil sie selbst als Kind missbraucht wurde. Ihre eigenen, uralten ungeklärten Emotionen übernahmen sie dann in dem Augenblick.

Im allerdümmsten Augenblick, denn sie merkte sofort, was passierte: Das Kind spürte natürlich mit 100%iger Genauigkeit, dass die Mutter emotional ausrastete - und übernahm die Schuld daran. Es habe in der Folge angefangen zu weinen, sich schuldig zu fühlen, dass Mama sich so schlecht fühle. Nicht deswegen, was wirklich geschehen war, sondern deswegen, weil die Mutter kolabierte.

Wenn das Thema in der Famile nicht in diesen Tagen, wo es ja offenbar aktuell ist, geklärt wird, kann es passieren, dass das Kind den Auslöser mit genau der Emotion in Verbindung bringt, die die Mutter über es ausschüttete, nachdem es offenbar relativ unbeeindruckt erzählte.

Ich halte das für ein wunderbares Beispiel, wie sich Traumata propagieren auf die Nachfolgegeneration. Es muss nicht so geschehen, wenn die Mutter sich endlich um ihre Geschichte kümmert, um all das bei ihr Geschehene zu konfrontieren und damit zu integrieren. Damit das Kind frei von den Ängsten und Altlasten seinen Weg weiter entdecken kann.

Es wäre schön, wenn diese Familie sich klärt. Sonst hat das Kind halt schon einen recht gewichtigen Mühlstein im Rucksack. Und das, obwohl der doch gar nicht zu ihm gehört, nicht von ihm aus dem Fels gehauen wurde, ungefragt ihm um den Hals gehängt wurde.

Es ist zu wünschen, dass es die Bedeutung aus diesem Vorfall mit der Zeit wieder loslassen kann. Doch, welches Kind kann das (schon)? Oder wer lehrt es, das zu können?

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