Bundesrat Blocher: Nicht zähmbar oder wirklich unausstehlich?

So, es scheint wohl so zu sein, dass der Bundesrat Blocher ein Ex sein wird morgen.

Der Bundesrat ist die Geschäftsführung diese Landes und repräsentiert dieses in den jeweiligen Aspekten in Form eines Bundesrates im In- und Ausland.

Die Frage, die das Parlament heute beantwortet hat, ist, ob der Bundesrat als Corpus unisono auftreten soll oder ob man ihm die natürlichweise vorhandenen, unterschiedlichen Meinungen anmerken können dürfe.

Das Parlament entschied sich, dass die spürbaren Polarisierungen im Bundesrat nicht mehr so dargestellt werden sollen.

Exponate der Landesregierung werden also wohl wieder zahmer, harmonischer - man könnte auch sagen - langweiliger auftreten. Oder wieder geschleckter wie es die Schweiz ja oft ist? Alles ist bei uns gut, sauber und ansonsten Schokolade, Sackmesser und Fondue.

Vergliche man den Bundesrat mit einem Wolfsrudel, so wurde jetzt die Zuneigung des Rudels für ein Alpha-Tier geklärt. Offenbar wollte es nicht zwei solcher Tiere als Führer, die sich naturgemäss belauerten und provozierten, sondern nur eines. So wurde eines entfernt, auf dass es wieder einfacher zum Leben ist, man muss ja nur noch einem folgen.

Im Zischtigsclub erklärten beide Ex-Spitzenpolitiker, Helmut Hubacher, SP, und Edgar Öhler, CVP, dass es früher auch Grabenkämpfe und Rangeleien gab, allerdings eher unter der Hand, hinter den Kulissen. Beide sagten, dass sie oft auch der eigenen Führung gegenüber eigenen Groll runterschlucken mussten. Es war wohl damals viel mehr Zucht und Ordnung gefragt, in allen Fraktionen.

Was hat Blocher nun gemacht, die 4 Jahre lang? Könnte man sagen, dass er die schwelenden Gluten einfach nur anfachte, so dass sie aufloderten, und damit Pole sichtbar machte, was ohnehin vorhanden ist?

Will die Schweiz eine geeint erscheinende Regierung, die möglicherweise nur etwas darstellen soll, was der Zeit ohnehin nicht mehr entspricht, oder will sie eine Regierung, der man die Probleme des Landes anmerken darf?

Das Parlement scheint erstes zu wollen. Ok. Business as usual? Die SVP als grösste vom Volk bestätigte Partei ist ja nicht weg. Wird diese nun der Regierung Knebel zwischen die Beine werfen?

Ist das Parlement nun völlig losgelöst vom Volk oder meint es, es wisse mehr oder besser? Hubacher sagte "Das Volk hat nicht immer Recht, aber es ist immer im Recht".

Diese Frage taucht ja auch andernorts auf, als zum Beispiel das Bundesgericht die Einbürgerungspolitik einiger Gemeinden als verfassungswidrig bezeichnete. Das Volk wollte gegen die eigene Verfassung agieren und empörte sich, dass das Gericht ihm da einen Nasenstüber verpasste. Das Volk immer im Recht, auch wenn es nicht Recht hat? Es könnte ja schliesslich eine Initiative zur Änderung der Verfassung starten.

Ich finde, es ist richtig, dass das Bundesgericht uns auf die Finger haut, wenn wir gegen die selbst gegebenen Regeln verstossen, solange wir die Möglichkeit haben, in einem demokratischen Prozess diese Regeln anzupassen.

Also könnte das Parlament hier auch sagen, dass das Volk zwar die grösste Partei wählte, aber nur es (das Parlament) wisse, was gut für das Volk sei. Das hatte man schon ab Lenin andernorts.

Nun, das Parlament schätzte Blocher nicht so, dass es ihn nochmals wählte. Wie im Wolfsrudel testen mögliche Nachfolger auch immer die Wachsamkeit des Alpha-Männchen, nicht nur, um das Rudel zu führen, sondern einfach um Chef zu sein. Jetzt scheint der Chef aus der eigenen Gang entthront zu sein.

Wie auch da, die neuen Führer müssen sich dann auch bewähren, der Tatbeweis ist das, was die Spreu vom Weizen trennt.

Ich persönlich finde es spannend, wie das gehen soll. Ich finde es egal, wie die Parteienlandschaft sich darstellt. Ich will eine Regierung, die sich auf die Sachgeschäfte konzentriert, die sich über die Parteigrenzen hinweg zusammenraufen kann. Ob der Kampfstil etwas harscher war, wie es wohl Blocher entsprach, oder mit freundlich verzerrten Gesichtern, ist mir egal - wichtig ist, dass die Loyalität zum Land das Zentrale ist und bleibe.

Mir scheint, dass die SVP ihre Galeonsfigur verliert, fast harmlos würde, sollte sie den charismatischen Blocher verlieren. Oder hat sie sich sogar in ihm getäuscht? Nicht er folgt der SVP, sondern sie (muss) ihm (folgen)? Bleibt er bei ihr? Immerhin kann er ja nicht mehr erreichen.

Hubacher sagte, dass er wisse, dass Blocher eines nicht verstehe: Wie man nicht fleissig, chrampfig sein könne. Aus der Biografie von Christoph Blocher könnte man dies sogar verstehen. Was also macht so ein konfrontationsfreudiger Macher nun?

Ich finde, dass etwas mehr Konfrontation der Schweizer Regierung gut tut. In jedem europäischen Land sind die Stellungen klarer ersichtlich. Ich wünsche mir jedoch auch, dass Parlament und Regierung jederzeit immer noch den Rank finden, dem Volk, dem Land zu dienen. Jahrelange Grabenkämpfe wie in der BRD oder Frankreich will ich nicht.

Es wird auf jeden Fall irgendwie spannender. Vielleicht wäre es heute besser gewesen, dem Vorschlag zu folgen, alte Bundesräte rauszuschmeissen und junge Kräfte zu wählen. Denn für die Herausforderungen der Zukunft braucht es keine Leute mehr, die diese nicht mehr erleben werden. Auch keine allzu tief in der Wirtschaft verwurzelten Eingeninitiative-Prediger. Denn diese liberale Wirtschaft hat viele der heutigen sozialen Spannungen hervorgebracht bzw. tolerierend in Kauf genommen.

Die Abwahl von Blocher ist wohl wirklich nur im Biotop des Parlaments erklärbar. Ob die Regierung nun wieder zur Class politique wird, Maden im Speck, wenig im Kontakt mit dem Volk, oder ob Blocher die Sedimente im Schlamm doch nachhaltend aufgewirbelt hat, zum Wohle des Volkes, wird sich weisen.

Ich will keine Leuthard, die sich von der Wirtschaft vereinnahmen lässt angesichts der globalen Herausforderungen, und keine SP, die Geld an Leute verschwendet, die nur das hier entstandene, solidarische Sozialnetz ausnutzen.

Also einfach ganz normale, den Verstand nutzende Politiker, die sich ungeachtet der Parteien zur besten Lösung, zur einvernehmlichen Priorisierung der Probleme durchringen können, auf dass Extreme wie Managerlöhne, Änderungskündigungen, Lohnschere oder Hotelbeherbergungen von Sozialsystemschmarotzern, IV- und Sozialhilfe-Falle nicht mehr vorkommen.

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