50 Tage USA - Food und Ernährung

Das erste, was wohl jeder merkt: USA isst anders. Zumindest in der Region, der ich war. Es war markant, Mechanismen der Ernährung der Massen zu beobachten. Die Ausmasse des Landes, die kapitalistische Ausrichtung, die Glaubenssätze und anderes erklären das zum Teil.

Ich nehme immer das kleine, akademische Amherst als Basis. Die UMASS, University of Massachusetts Amherst, ist dort beheimatet und das sorgt in dem beschaulichen Ort doch für jeweils zusätzliche 30'000 Studenten, wie meine Freundin mir sagte. Amherst hat noch zwei zusätzliche überregionale Schulen, deshalb wohl die saisonale Verdoppelung der Einwohnerzahl.

Grundsätzlich besteht die Stadt im Wesentlichen aus zwei orthogonalen Hauptstrassen, so dass sich das Leben und Business wohl im Amherst Center, der Kreuzung, abspielt.

Was fand ich also im Center bezüglich Food? Die hierzulande bekannten üblichen Fastfoodketten fand ich dort nicht, die sind etwas ausserhalb natürlich schon da - dass sich diese nicht im Stadtzentrum ansiedeln durften, sei Absicht, sagte mir meine Freundin.

Die einzige ist Subway, eine Sandwich-Kette, von der mir meine Freundin sagte, dass deren Produkte von Europäern regelmässig als grässlich abgetan würden. Dann ein lokales chinesisches, japanisches, vietnamesisches, indisches, französischer, mexikanisches, italienisches Restaurant. Ein Alkoholladen, eine Eisdiele, und einige andere Restaurants.

Das scheint reichlich zu sein, ich habe auch einiges ausprobiert. Die Asiaten haben natürlich ihre charakteristischen Angebote, die sich per se markant vom US-üblichen Food unterschieden: Die überall erhältlichen Chicken-Wings in variablen Formen finden sich aber auch beim Franzosen, der wohl nur dem Namen nach so einer ist. Als ich dessen Speisekarte las, war mir, dass Chez Albert nur ein Slogan sei. Von mir bekannten, franzüssichen Gerichten fand ich fast nichts.

Ausserhalb Amherst, 3-10+ Autominuten, finden sich dann die grossen Ketten wie McDonalds, BurgerKing, Applebee, Wendy, Taco Bell, Dunkin Donuts, Starbucks und andere, die ich zuvor nicht kannte, wie Cumberlands etc.

Im Autoland USA bieten natürlich fast alle ihren Food to go an. Das erklärt die immense Abfallmenge, die selbst das kleinste Take Away generiert: Alle schreiben zwar auf die Verpackung, dass man doch recyclen solle. Doch landet sie wohl überall zuerst mal im normalen Abfall. Im WG-Haushalt meiner Gastgeberin sah ich daher voluminöses Verpackungsmaterial en masse verschwinden - Getränkebecher sind da sehr sperrig. Es wurde nur nach Glas und Blech sortiert. Plastiktüten landen sofort im Abfall. Überall. Papiertüten wurden zwar sogar gesammelt, aber ich habe de facto in der ganzen Zeit nie jemanden gesehen, der beim Einkaufen seine eigene, mehrfach verwendbare Tasche mitgenommen hat.

Da in den Shops meistens jemand einem die Waren nach der Kasse in Tüten versorgt, kommt man ja auch fast nicht darum herum, diese Plastikflut. Als ich einmal mit einer Tasche vorbeikam, wurde ich etwas erstaunt angeschaut, "ob die den halte" .. ja klar, sie hielt schon. Woher der Spruch seine Begründung hatte, war grad offensichtlich: Da wir oft Getränke in Flaschen kauften, wurden von 6 1-Liter-Flaschen jeweils 3 in doppelte Plastik- oder Papiertüten verpackt - weil einzeln rissen die. Meine stabile Tasche (er)trug beide mit Leichtigkeit.

Aber ich schweife ab, ich will zur Ernährung zurück. Obwohl, das Kaufen gehört ja dazu, denn was man in der Nähe kaufen kann, das isst man. Für mich war es daher oftmals chinesisch im Take Away. Das war ok, von einem Take Away erwartet man ja nichts Kulinarisches - und ich mag Chinesisch. Zwei andere China-Restaurants besuchten wir, die durchaus Gutes boten. Auch der Japaner war gut. Denn diese können auch nicht den Standard-US-Taste bedienen - und daher auch nicht mit Kalorien schamlos überborden.

Ein sehr gutes, italienisches Restaurant besuchten wir vor meiner Rückreise. Dieses war dann auch mein kulinarisches Highlight, denn es war "wie zuhause", die Geschmacksrichtung eher europäisch, qualitativ hochwertig. Doch auch teuer - auch wie in Europa. Wenn man die Tipps von 15-20% mit einbezieht, ist jeder Food eigentlich europäisch-teuer. Als Schweizer legte ich also ähnliche Beträge aus wie hier. Günstig geht's nur bei den Massenfood-Ketten.

Einkaufen, Nahrungsmittel meine ich damit, das ging in Amherst Center eigentlich nicht. Das war das Frappante. Es gibt Food im Überfluss, in Schrittweite. Aber nichts Gesundes zum Einkaufen. Einkaufen kann man nur ausserhalb der Stadt. Es gibt Busse dahin, doch wer sich aus irgendwelchen Gründen nicht aus dem Center hinausbewegen kann, hat nur die Wahl zwischen deftigen Dingen wie Burritos, Chicken-Wings etc. Alle dann im US-Taste gehalten. Und dann auch immer zuviel - typisch Amerika. Aber dann auch mit dem Nebeneffekt, dass man zwar alles anstandslos zum Nachhausenehmen einpacken lassen kann, es dort aber oft dann im Abfall landet, wie ich beobachtete.

Meine Freundin sagte mir: In Amerika gibt es Kalorien im Überfluss, überall wird zuviel geboten, zuviel gebracht, zu gross portioniert. Wäre das Gemüse und Früchte, wäre es wenigstens gesünder und weniger kalorienreich. Und dieses Zuviel an Kalorien wird von den Massenfoodketten dann auch noch (eigentlich unerklärlich) billig angeboten, was dann dazu führt, dass sich die arme Bevölkerung sich zwar billig, aber eben auch falsch ernährt. Wer sich nicht zu den gesunden Bezugsquellen hin bewegen kann, hat in meinem Beispiel de facto keinen Zugang zu gesunder Ernährung.

So war mein liebstes Einkaufszentrum für Food dann auch wie erwähnt ausserhalb der Stadt. Und es war dann auch jeweils mindestens so teuer einzukaufen wie hier in der Schweiz. Denn obwohl die angeschriebenen Preise möglicherweise günstiger schienen, an der Kasse kamen dann noch die Steuern drauf. Im Vergleich zu meinem zu hause geführten Lebensstil habe ich in der USA mehr Geld ausgegeben für qualitativ gute Nahrungsmittel.

In Springfield, einer Stadt südlich von Amherst, etwa doppelt so gross wie Winterthur, war die Situation dann anders. Natürlich auch der Grösse geschuldet. Da meine Freundin genetisch Jamaikanerin ist, fuhren wir daher zum Insider-Tipp-Shop, wo man die besten Jamaika-Ingredienzen bekäme. Dieser Ort lag in den hauptsächlich von PoCs bewohnten Stadtteilen. Bei der Fahrt dorthin stach mir sofort ins Auge: Die gross überm Dach von McDonalds dargestellte Werbung für eine Portion Chicken Wings für $1.99.

Und das eben inmitten eines Stadtteils, der von armen Schichten bewohnt wird. Was ich bei der Fahrt ebenfalls sah: Kinder und Jugendliche, sehr stark übergewichtig. Kein Wunder, eine Portion Chicken Wings bekomme ich dort also für grad mal $2, wo eine Portion Bio-Karotten in WholeFoods auch $4 kosten.

Die USA erlauben sich, eine ganze Bevölkerungsschicht absichtlich billigst zu ernähren - um dann grad nochmals an ihnen zu verdienen, indem sie dann die Gesundheitsindustrie bedienen werden - weil Diabetes und Konsorten sich ja gut finanziell ausschlachten lassen.

Meine Freundin hatte dazu noch viel mehr Fakten, Information und Zahlen parat. Es ist wie die Faust aufs Auge, wie sich diese Gesellschaft verhält. Wenn wir uns in Europa um eine wenigstens etwas ausgeglichene Gesellschaft bemühen, ist das dort scheinbar einfach egal. Sichtbar wird das in der Ernährung der Massen.

Mir war es möglich, in Amherst wöchentlich einmal bei WholeFoods einkaufen zu gehen. Die Qualität der Nahrungsmittel war sehr gut, aber auch entsprechend preislich angesetzt. Dort sah ich bis an die KassiererInnen praktisch keine PoCs als Käufer. Noch etwas weiter weg, mit dem Bus 33 Minuten, alle Stunde, gibt es einen weiteren guten Qualitätslieferanten. Doch in Amherst selbst, nix. Weil ich das fast nicht glauben konnte, fragte ich extra nach bei meiner Freundin: Gibt es eine Frischgemüseabteilung in Amherst Center? No, she said.

Sie meinte, Amherst habe alle diese Läden, auch die Guten, aus der Stadt verbannt. Die Nachbargemeinde ist Hadley, da sind die dann alle. Nicht grad um die Ecke zu Fuss.

Was soll man da also denken? Eine Universitätsstadt, die tausende Jugendlicher auf das Leben vorbereitet: Und was wird ihnen in der Stadt zur Ernährung geboten? Junk-Food. Werden die absichtlich trainiert auf den frittierten Chicken-Wings, Burritos Style mit allen Sorten von gesüssten, fettreichen Saucen und Gebäcken - und was ich ja noch nicht mal erwähnte: Denn Süssgetränken? Damit sie dann diesen Ernährungsstil sogar in die gehobeneren Ausbildungsschichten importieren? Damit das kapitalistische Friss-und-Stirb-System möglichst optimiert Geld scheffelt?

Die USA ist anders, das war mir schon immer klar. Dies waren auch nur ein paar Worte zur Ernährungslage, die ich beobachtete. Wäre ich dort ein Working Poor, hätte ich Schwierigkeiten, mich halbwegs gesund zu ernähren. Es fehlt an Bildung, die Bezugsquellen sind fast unerreichbar weit weg, kosten doppelt soviel, und in der TV-Werbung wird dieser Food-Stil massiv beworben. Auch mit Worten wie gesund etc., die hier in der Schweiz wohl im Zusammenhang mit Fastfood so schnell keiner in den Mund nehmen können dürfte.

Vor allem verblüfft es mich halt immer, wenn sich Gesellschaften erlauben, ihre Leute absichtlich ins Messer laufen zu lassen. Das ist dort so, aber auch hier. Meine entsprechenden Beobachtungen in den Niederungen Deutschlands sind mir immer noch sehr präsent. Klar, zur Gesellschaft gehören eben auch die, die an anderen Teilen er Gesellschaft gut verdienen. Dass man das im erzkapitalistischen Amerika klarer sieht, liegt für mich klar auf der Hand. Da sind ja auch alle optimierenden Faktoren wie GVO erlaubt etc. Und demgemäss waren die Chicken-Wings auch immer etwas grösser als ich sie von hier kenne ...

In meinem Gehirn hat sich das Bild von Chicken-Wings $1.99 zu dem bereits eingebrannten 500 Gramm Spaghetti für €0.99 gesellt. Als - in meiner Sicht - gefährliche Irrläufer für die Entwicklung von Gesellschaften.

Kanada übrigens, in das ich doch zwecks Niagara-Fälle einen Blick werfen konnte, war dann spürbar anders - sogar bei McDonalds. Ich hab's nicht einschätzen können, meine Freundin jedoch schon.

Dazu und anderen Dingen werde ich bei Musse weitere Artikel schreiben. Denn die Eindrücke sind mannigfaltig. Mehr als ich vernünftig schreiben kann, es sei denn, es würde ein Buch ... :-)

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