Waldspaziergänger halt: Kohle zuerst. Ein Effekt der Globalisierung und des Egoismus

Die Waldbesitzer verdienen in der Schweiz zuwenig - weil das Holz aus ihrem Wald immer weniger einbringt. Deshalb müsse eine Kostenbeteiligung des Volkes her, denn Holz sei ein Industrieprodukt, das dort produziert werde, wo's am billigsten ist. So wollen sie es. Doch, wieso muss Wald denn Geld abwerfen?

Ich kenne jetzt zwar die Besteuerung und die Pflichten der Waldbesitzer zuwenig, um deren Lasten wirklich einschätzen zu können, doch lassen wir uns doch mal ein paar Gedanken zu der ganzen Sache durch den Kopf gehen:

1. Der Wald braucht keine Bewirtschaftung, er ist kein "Pflegefall". Die Natur sort für sich selbst und kann das besser als jeder Mensch. Und das Sich-selbst-Überlassen ist ja grad ein Pluspunkt in der Attraktivität des Waldes, siehe Sihlwald, wo dies zum Credo erhoben wurde. Wofür also wollen die Besitzer Geld? Ob Mountainbiker, Reiter und Töffahrer wirklich soviel "Schäden" hinterlassen, die vom Besitzer behoben werden müssten, sei dahingestellt. Das, was ich grad sehe, ist das Reinigen des Waldes von illegalen Mülldeponien. Zudem: Die Waldpflege wird ja vom Besitzer auch nicht mehr zu Fuss erledigt. Er wird wohl eher mit einem Harvester in den Wald fahren, eine tonnenschwere Maschine, die den Waldboden derart komprimiert, dass sie dem Wald mehr schadet als nützt. Wer mal beobachtete, wie sich der Schritt auf natürlichem Waldboden anfühlt gegenüber dem gemachten Waldweg, der weiss schon, wovon ich spreche.

2. Der Wald ist eine natürliche Resource, die allen Menschen etwas gibt: Sauerstoff, Kühle, Wasser und - weniger matriell - Erholung. Gut, es geht nun nicht um die chemische Sache, sondern um die Erholung. Für die Erhaltung der Wege etc. ist jedoch die Allgemeinheit, sprich die Gemeinden zuständig. Und die gelten diese allgemeinnützigen Dienste bereits auf die eine oder andere Art ab. Und wenn es den Besitzern nicht reicht, sollen sie es anders mit den Gemeinden regeln. Ob Wald überhaupt einer einzelnen Person gehören soll, die Frage der Besitzmöglichkeit natürlicher Resources, soll hier nur am Rande anklingen.

3. Die Globalisierung ist wieder mal das Problem, dass Gewinne individualisiert, die Aufwände sozialisiert werden. Wenn Wald (= Holz) halt in Russland rücksichtslos gerodet, mittels viel zu billiger Transportkosten in die Schweiz gekarrt und erst noch gewinnbringend verkauft wird, so zeigt das, dass wir alle von dem Virus der Globalisierung, der Gewinnmaximierung, der Gier erfasst sind. Denn wer Holz braucht für Hausbau, Möbel, Heizung etc. der hat es doch in der Hand, woher er sein Holz bezieht. Abgesehen davon, dass die Waldvernichtung uns - egal wo auf der Welt - schon einholen wird.

4. Muss der Wald eine passend gemachte Activity- und Freizeit-Oase sein? Wenn die Freizeitler es schon nicht mal mehr schaffen, ihren Müll wieder mitzunehmen, nicht mal in den Städten, wo es Mülltonnen gibt? In der schweizerischen Umwelt ist alles bereits beackert worden im Sinne von "kein unbekanntes Land, wo noch nie ein Mensch war". Ist es sinnvoll, auch den Wald noch für Happiness und Trallalla der mit Autos einfahrenden Städter auf deren Bequemlihckeit-Anspruch einzurichten? Wohlgemerkt, ich bin in diesem Sinne auch ein Städter. Kein wirklicher Rucksäckler oder Naturalist. Doch ich möchte nicht, dass eine der wichtigsten natürlichen Resourcen meiner Bequemlichkeit untergeordnet wird.

5. In Solothurn gibt es den Wald-Fünfliber. Zum Glück ist der dort sei 10 Jahren etabliert. So wurde diese Geldfrage (es ist immer dasselbe, es gibt immer nur ums Geld) beantwortet und beigelegt. Wenn schon die normalen Steuern es nicht mehr erlauben sollten, die "Waldgebühr" darüber einzuziehen, dann lieber so. Es kann ja nicht sein (und darf es von Gesetzteswegen in der Schweiz auch nicht), dass der Wald eingezäunt würde. Wäre ja krass, wenn man sogar als Waldspaziergänger die Polizei dort fürchten müsste ... nur weil man am Waldrand in einer heissen Sommersonne etwas Schatten und Kühle suchten wollte und aufs Versehen 10 Meter zu tief unters grüne Dach schlüpfte. Die Wertschätzung des Waldes - so sie denn über die bereis existierenden Wege hinaus finanziell sein soll - sollte in Steuern erhoben werden. Denn wir assoziieren Steuern ja mit Geld für die Allgemeinheit. Und der Wald ist für die Allgemeinheit.

6. Spezielle Interessengruppen wie Reiter und Jäger, die sollen lokal ihre möglicherweise übermässige Nutzung halt mit den Waldbesitzern direkt abmachen. Denn das sind wir und schon auch gewohnt, das Verursacherprinzip anzuwenden.

7. Wie immer: Rücksicht, weniger Egoismus, das ist von uns allen gefordert. Zurückhaltung erst recht, denn der Wald ist Lebensraum für Tiere und Pflanzen, nicht nur ein Grünkino, das abestellt wird, wenn wir es verlassen. Der Wald wird gemacht von Pflanzen und Tieren. Das, was wir also genau so wertvoll erachten, ist nicht einfach so da, sondern es ist der Nebeneffekt des Lebens. Also müssen wir uns auch rücksichtsvoll verhalten, wenn wir in diesen Lebensraum eindringen. Da ist halt die egoistische Lust auf Mountainbiken, Pulverschnee-Abfahrten einzudämmen und der Erhaltung der Lebensmöglichkeiten unterzuordnen.

8. Und zuletzt halt wieder mein Lieblingssatz: Think globally, act locally. Wer das kann und in seinem Alltag umsetzt, wird sich meines Erachtens automatisch natürlicher und menschlicher verhalten. Dann reduzieren sich auch die eigenen egozentrischen Ansprüche gegenüber dem Wald und anderen Waldgeniessern.

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