Todesstrafe - Wiedereinführung in der Schweiz?

Es mag ja schon merkwürdig anmuten, dass gerade in der Schweiz die Todesstrafe wieder eingeführt werden möge, geht es dem Ansinnen einiger Leute nach. Ok, nur die, die sexuelle Straftaten mit Todesfolge betreffen. Sind wohl solche, die ihre eigene Verletzung nicht losgelassen haben. Rachsüchtige, die nur niemanden gefunden haben, um die Rache abzureagieren. Anders kann man den Röhrenblick auf dieses sexuelle Thema ja nicht einordnen. Massenmörder sonstiger Art, also einfach normale Psychopathen gehören da also nicht rein ... so verstehe ich es.

Schon sehr merkwürdig und eigentlich sofort alle Argumentationen der Initianten entwaffnend. Wie kann man die Tötung eines Menschen kategorisieren und nur bei einer bestimmten Form dessen die Bestrafung des Täters durch ebensolche Tötung fordern?

Dies lässt sofort erkennen, dass hier eigene tiefe und ungeklärte Verletzungen die Motivation sind. Also sehr spezifische und überhaupt nicht übertrag- und objektivierbare Erlebnisse in der Historie einer Persönlichkeit. Also im Kant'schen Sinne auch nicht als für eine ganze Gesellschaft geltende Richtlinie postulierbar.

Gut, es mag Ausländern merkwürdig erscheinen, dass man sowas bei uns fordern kann. Ich bin der Meinung, dass es im formalen Zulassungsprozess schon noch eine Macke hat. Denn interessanterweise wird die Prüfung des Inhalts vom Staat erst dann vorgenommen, wenn die nötigen 100'000 Befürworter zur Eingabe der Initiative erreicht sind. Um diese Anzahl zu finden, muss man schon recht auf die emotionale Drüse drücken. Und das finde ich schon mal schlecht.

Auf der anderen Seite finde ich das System mächtig, das so etwas als Fragestellung zulässt und der Bevölkerung zur Beantwortung vorlegt. Denn Diskussionen über solche Themen sind an sich sinnvoll für diejenigen, die sich noch nie damit befasst haben. Das Dumme ist nur, dass üblicherweise nicht diskutiert und zur Selbstreflexion angeregt, sondern emotionalisiert wird. Ob sich die Initianten jemals Gedanken darüber gemacht haben, ob es ihnen auch nur ansatzweise besser geht, wenn der Täter tot ist? Ich denke, nein. Er ist im Himmelreich und ihr Geist martert sie nach wie vor - bis auch sie sterben. Toll.

Es wird ja angenommen, dass auch eine erfolgreich zustande kommende Initiative abgelehnt würde. Ich hoffe doch, dass es auch so käme. In der Bibel steht: Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein. Ob Stein oder Kugelgeschoss, das System, die Argumentation ist dieselbe. Einer fällt ein Urteil und die Wirkung soll nun Tod heissen. Das Urteilsprechen ist bereits da, es geht also nur noch um die Wirkung der Strafe. In dieser Ebene kann keiner ein tödliches Versehen ungeschehen machen. Keiner ist frei von Fehlern, erst recht nicht emotionalisierte Leute, die solches fordern. Gerade bei diesen ist es eigentlich klar, dass sie niemals urteilen dürfen, weil sie befangen sind. Diesen Grundsatz kennt das Gerichtswesen ja zum Glück. Aber nun zu verlangen, dass andere, die Richter, diese Last der Verurteilung tragen müssen, ist eine Vergewaltigung anderer Personen. So liegt dann halt die Rolle von Opfer und (späterem) Täter sehr, sehr nahe beieinander. Da muss man eigentlich schon sehr geläutert sein, um dies zu erkennen.

Und da liegt möglicherweise auch ein Versehen vor: Wer sagt denn, dass der Tod eine Strafe ist? Ist denn hier das Himmelsreich? Ist es eventuell hier nicht die Hölle auf Erden? Worin besteht denn eigentlich die mögliche Abschreckung der Todesstrafe? Abgesehen davon, dass man ja weiss, dass Abschreckungen nicht reichen, um verkehrtes Verhalten zu verhindern.

Haben die, die den Tod fordern, nicht genau am meisten Angst vor dem Tod? Es ist doch klar, dass sie die für sie schrecklichste Sache dem andern an den Hals wünschen. Wenn ich also nichts so sehr fürchte wie den Tod, dann wünsche ich als Rächer den auch für meinen Feind.

Dabei: Jahrelang in seinem Wirkungskreis beschränkt auf einige hundert Quadratmeter zu sein, ist nicht das eine wirkliche Strafe in dieser räumlichen Ebene? Einen Geist zu haben, der sich vorstellen kann, wie schön es wäre, den Duft blühender Frühlingsblumen zu atmen, das Rauschen der Meeresbrandung bei Sonnenuntergang zu hören, die freudige Umarmung eines Kindes nach dem Auspacken seines Geburtstagsgeschenks zu spüren? Wieviel härter ist es für den, dieses jahrelang nicht erleben zu dürfen?

Ich halte dies für die grössere Strafe. Über den Tod wissen gerade die Initianten einer solchen Idee überhaupt nichts. Das disqualifizierte sie eigentlich sofort, aber wir anderen wissen - mit Ausnahmen - auch nicht viel mehr. Wer weiss, vielleicht ist der Tod gar nicht schlimm, keine Bestrafung, sondern Erlösung? Der Hinaustreten ins wirkliche Leben nach dem Besuch eines Horrorfilms? Na, dann dürften die Verurteilten ja dankbar sein. Doch sie gehören wohl auch zu den Unwissenden. Oder auch nicht ...

Wie dem auch sei: Da wir alle mehr oder weniger unwissend sind diesbezüglich, ist es eine Arroganz, sich über andere stellen und diese töten zu wollen. Egal, was als Recht-Fertigung vorgebracht wird.

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