Googles Visionen – die kommende Matrix

Heute kam im SF Einstein ein interessanter Blick auf Google. Was es so macht, was es ausmacht, wie es uns macht, und was wir daraus und danach machen – oder auch nicht.

Auch wenn Informatikern fast alles nicht neu ist, so ist die für eine Infotainment typische Raffung der Thematiken eine spannende Sache: Dass Google eh alles weiss über einen, ist für Internet-Nutzer ja hoffentlich nicht neu und definitiv etwas, was jeder mehr oder weniger eingeschränkt beeinflussen kann. Was die Googler aber damit machen und uns als „Alltagserleichterungen" andienen können, das ist schon bemerkens- und bedenkenswert.

Ich habe zwar einen Facebook und Google+ Account, bin dort jedoch bei beiden praktisch inaktiv. Man kann sagen, dass ich demnach ein Eigenbrödler, Eigensinniger, Einsiedler, Technikverweigerer sei. Bezüglich Technik – damit meine ich nun wirklich nur die Social Networks – bin ich das wohl auch. Ich benutze dennoch viele spezifische Themen-Websites, weil ich dort dem „digitalen Lärm" weniger ausgesetzt bin. Als digitalen Lärm oder auch digitales (Grund-)Rauschen bezeichnen Leute wie ich die Informations- und Datenflut mit geringem bis gar keinem Sinn für einen. Daher sind für mich allgemeine Netzwerke wie Facebook etc. (Bisher) kein interessantes Betätigungsfeld. Um Nutzinformationen oberhalb des Levels des Grundrauschens zu generieren oder finden, müsste ich viel zu viel Energie investieren. Ich habe eine gute Kollegin, die in Facebook recht aktiv ist, deren Facebook Friend ich bin. Was ich da jeweils an digitalem Briefkastenverstopfern bekomme, ärgert mich jedesmal. Denn es ist einfach Giesskannenprinzip über belangloses Zeug.

Ich interessiere mich sehr für Menschen, aber nicht für das automatisierte, routinierte Rauschen, das manche als Kommunikation missverstehen. Die war es sicherlich ursprünglich, aber durch die Automatisierung wird es Routine, belastet die Kommunikationskanäle und der einzelne Fall, das Individuum, verkommt damit zum Datengenerator und Datenabsorber.

Google ist genau in dem Bereich aktiv: Der Verwaltung der automatisierten und routinierten Datenflut. Wenn die Googler schon wissen, dass die meisten Leute nur die ersten 4 Suchtreffer anschauen, wozu denn da noch die anderen Millionen Treffer? Jetzt werden sie noch angezeigt, ob ich jenseites der 4 hinschaue, ist ja meine Sache. Nota bene, alle Treffer gefiltert und bewertet. Einsteins Experiment mit den beiden Politik-Extremisten zeigte, dass es bei einem Gmail-Account nur ca. 100 Suchanfragen benötige, bis gleiche Suchanfragen für die beiden virtuellen Benutzer bereits eine Änderung in der Gewichtung der Resultate zeitigen. Wer nur anonym Google benutzt, die Cookies von Google nicht abblockt, hat ebenfalls eine PC-abhängige Personalisierung zu gewärtigen, die nach ca. 500 Suchanfragen Wirkung zeige.

Wie gesagt, „don't be evil" ... Googles Spruch. Oder auch „honi soit qui mal y pense". Natürlich bietet Google schon mehr, aber wie oben erwähnt, die meisten Dinge gehen beim Menschen irgendwann ins Unbewusste über. Ab dem wievielten Suchbegriff kann Google auflisten, was es will, wir fressen es so oder so? Ab wann kann Google meine Kenntnis der Welt so lenken, dass ich immer weniger weiss und finden kann über Dinge, die nicht monetarisierbar sind?

Und dann meinen wir selbstbewusst, „ICH" weiss doch, was ich tue. Denkste. Der Einsteinmoderator sagte, er schaue doch die Werbung nie an. Der Eye-Tracker zeigte, dass er bei Suchresultaten 30% der Zeit auf die Werbeeinblendung schaute. Tja. Was kann man nur schon daraus erkennen? Wie schon oft gesagt: Wir sind zu 99.9999% der Zeit automatisierte Bioroboter, deren Informationsverarbeitung von Leuten wie den Google-Such-Ingenieuren bravurös ausgemessen, ausgenutzt und eingesetzt wird.

Auch das ist per se völlig neutral: Denn wenn der Mensch keine solchen Automatisierungsmechanismen hätte, könnte er nicht vom Bett aufstehen und zur Tür rausgehen. Das Problem ist halt nur, dass es eben so unbewusst ist. Reiz – Reaktion. Nicht Aktion, Reaktion. Automatisierte Reizantworten.

Wer sich nun also im digitalen Rauschen so geschickt bewegt wie Google, der kann das Unterbewusste füttern mit Modifikationen der längst automatisierten Abläufe , merken tu ich's ja eben nicht mehr, weil unbewusst, routiniert, automatisiert. Google will ja nur helfen. Doch dazu muss es mich kennen, was ich will etc. Wie hiess der Verräter gerade in Matrix? Der nach Einsicht und Ent-Täuschung doch lieber in die schöne Welt der Matrix zurück wollte? Wo er nichts wusste, das eingebildete Steak, das Geld, die Chics geniessend?

Auch das ist ok. In Matrix wird die Sache eigentlich sehr schön herausgearbeitet, erst recht nach dem Schluss des dritten Teils.

Ist die nette, unaufdringliche Führung durch Google wirklich nur Hilfe oder halt doch Beeinflussung? In Matrix wurde am Schluss von den Robotern wieder eine schöne und heile Welt vorgegaukelt. Mit dem schönen Antwort auf die Frage, ob sie sich an den Vertrag halten „wir sind doch keine Menschen". Ergo, als Maschinen werden sie sich daran halten, wären es Menschen, dürfte man zweifeln ...

Wenn wir schon im Alltag so unterbewusst agierende Wesen sind, was macht uns denn aus? Gibt es denn wirklich so etwas wie ein „Ich"? Ist das Ich nicht viel mehr die angehäufte und hängengebliebene Datenmasse? Und da wir diese an Google abgeben bzw. von deren Algorithmen gefüttert werden, definiert Google (oder neuerding natürlich auch Facebook) das Ich? Also, Google = Matrix?

Es ist schon interessant: Wer Matrix als philosophische Spiegelsicht begriff, wird wohl eventuell mit der Quintessenz rauskommen, dass es ja eh keine Rolle spiele, ob man innerhalb oder ausserhalb derselben sei. Denn das Glück, das persönliche, das ist offenbar für Morpheus, Cypher und jeden einzelnen seiner Truppe etwas ganz anderes. Cypher mag das virtuelle Steak – wieder unwissend gemacht. Morpheus hängt einem Traum nach, dass Neo die Welt verändere. Um am Schluss nach drei Folgen ist es doch eigentlich, wie vor Matrix I. Denn eigentlich ist meines Wissens ja nie geklärt worden, wie es zum Krieg kam, ausser, dass die Maschinen die vom Körper erzeugte Energie als Ersatz nutzen konnten, weshalb sie die menschlichen Körper als Kraftwerk nutzten und die Bewusstseine – oder besser Ichs – mit virtuellem digitalem Rauschen fütterten. Dass dies den meisten ja reicht, dafür steht Cypher. Gibt es da eine Entwicklung? Keine Ahung. Sicher ist nur, dass Cypher seine Entscheidungsfähigkeit an die Matrix abgegeben hat. Er wird also erleben, erdulden, erleiden, was diese – virtuell – für ihn vorsieht. Änderungsmöglichkeiten bei Nichtgefallen? Keine.

Nun ja, Matrix und Google sind die Spiegel unserer Zeit. Matrix scheinbar noch weit weg, Google schon hier und etabliert mit Augmented Reality Brille, Handies, die mir den Weg ansagen, meine Ferien vorschlägt, meinen Weg zum persönlichen Glück aus den Gesuchten aus der Vergangenheit zu eruieren versucht ... (gemeine Frage: Ginge das überhaupt?).

Natürlich, auch die Googler sind in der Matrix. ICH auch. Doch es gibt da so Pillen ...

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